Sofia – Mai 2025
Ein alter Gutschein aus Pandemiezeiten (der tatsächlich noch gültig war!!!) führte Ursula dieses Jahr nach Sofia, eine der höchsten Hauptstädte Europas! Ganz ohne Gisela fühlte es sich ein bisschen komisch an, aber die Reiselust hat sie doch sehr schnell wieder ergriffen.
Und Bulgarien machte auch sogleich einen richtig guten Eindruck: ein moderner Flughafen mit ansehnlichen Toiletten, eine unkomplizierte Metro direkt in den Stadtkern, saubere Straßen und ziemlich viele nette Leute!
An unserem ersten Nachmittag schlenderten wir gemütlich durch die Innenstadt von Sofia und das war ein richtiges Abenteuer. Im Quadrat der Toleranz liegen Synagoge, Moschee und katholische und orthodoxe Kirche in unmittelbarer Nähe zueinander. Mittendrin konnten wir durch die erst vor 15 Jahren entdeckten Überreste der alten Stadt Serdica wandeln und Felix Haus unsicher machen.
Dann befanden wir uns plötzlich auf einer richtigen Römerstraße aus dem 6. Jahrhundert mit Stadttor, die die Unterführung zum heutigen Regierungsgebäude bildete. Die versteckte Rotunde des Hl. Georg inmitten von mächtigen Regierungsgebäuden wirkt wie eine Trutzburg des Glaubens. Am Nationaltheater tanzte eine Volkstanzgruppe (und auch zahlreiche Passanten) den bulgarischen Horo-Tanz und Ursula traute sich sogar kurz die Flügelchen zu den heiteren Melodien zu schwingen. Ein großer Spaß! Und zu guter Letzt spazierten wir noch zur riesigen Alexander Nevski Kathedrale, richtig beeindruckend!
Am Folgetag zog es uns morgens erst mal auf den Frauenmarkt, auf dem viele Frauen (aber nicht nur!) ihre Waren feilboten und die leckeren Erdbeeren konnten wir uns nicht entgehen lassen. Warum es der Frauenmarkt ist, wollte Ursula gerne wissen….nun, man ist sich uneins, ob es in früherer Zeit ein Ort war, an dem junge Frauen einen Bräutigam finden konnten oder es hier schlichtweg seit langer Zeit alles Notwendige für Hausfrauen gab. Auf jeden Fall trafen wir auch hier viele freundliche Menschen.
Nach einem kurzen Erdbeerstop zu Hause flogen wir direkt weiter zu einer Jewish History Tour, auf der unser Guide Yoan uns eindrucksvoll und mit Herzblut die Geschichte der Juden in Bulgarien, aber auch die generelle Geschichte des Landes näher brachte. So lernten wir, das das Land schon von vielen Kulturen bevölkert waren: Thraker, Römer, Bulgaren (ein vertriebener Stamm aus Iran oder Afghanistan), Byzantiner, Osmanen. Die ersten Juden kamen im 1. Jahrhundert mit dem Römern ins Land, erlebten aber zur Zeit der Osmanen ihre Blütezeit, da die Muslime damals trotz vieler Restriktionen eine sehr tolerante Religion waren. 1878 Kämpften die Bulgaren dann mit Russland gegen die Osmanen und erlangten die Unabhängigkeit und mehr religiöse Freiheiten. Erst als Bulgarien 1941 mehr oder weniger freiwillig Verbündete der Nazis wurden und USA und UK den Krieg erklärten, wurde das Land antisemitisch und es wurde von jetzt auf gleich das Gesetz zum Schutze der Nation erlassen, das jüdische Pässe ungültig machte, die Reisefreiheit aufhob und normale Arbeit für Juden fast unmöglich machte. Juden wurden in zahlreiche Arbeitslager im Land gebracht. 1943 sollten dann heimlich die ersten Deportationen in Konzentrationslager stattfinden. Ein mutiger Mann namens Peschev, seineszeichens stellvertretender bulgarischer Parlamentspräsident forderte vom Parlament jedoch Aufklärung über die geplanten Deportationen der 50.000 bulgarischen Juden und machte das Thema öffentlich. Das Volk war on fire…. Gelehrte, Geistliche, „normale“ Bürger protestierten, sodass der bulgarische König Boris III persönlich zu Hitler reiste und fortan alle Deportationen verweigerte…. Ein Eklat, der Boris mutmaßlich das Leben kostete, aber jeden einzelnen der 50.000 bulgarischen Juden rettete. Boris wurde nämlich nur 3 Tage später zurück in Sofia vergiftet…. Von wem ist bis heute nicht aufgeklärt. Ein richtiger Krimi, aber damals absolute Realität. Und so war Bulgarien 1 von 3 Ländern, die ihre gesamte jüdische Bevölkerung retten konnte. Und damit endete der Vormittag mit eindringlichen Worten Yoans, Tränchen in den Augenwinkeln und viel Ehrfurcht vor dieser Geschichte des Landes.
Nicht genug der Informationen wagten wir uns am Nachmittag noch zur Communist Tour, denn Bulgarien wurde ab 1944, also unmittelbar nach dem Tod Boris‘ III und damit noch mitten im zweiten Weltkrieg, zum Sozialistischen Satellitenstaat, der weiterhin aber unabhängig von Russland blieb.
In dieser Zeit wurden christliche Feiertage durch weltliche ersetzt, Kirchen nur noch versteckt erbaut, obwohl Religion nicht verboten wurde, es gab harte Grenzkontrollen, eine Geheimpolizei mit Kerkern im Keller, Arbeitslager für unfolgsame und Dissidentenverfolgung bis hin zur Ermordung. Da Ursula mittlerweile der Kopf schwirrte und die Füßchen schmerzten, flatterte sie nach 2/3 der Tour schon wieder Richtung Unterkunft.
Auch, weil es am nächsten Morgen früh auf eine Bustour zur Boyana-Kirche und zum Rila Kloster gehen sollte. Einen ersten Stop legten wir beim Dragalevski Kloster ein, das nur von einer Hand voll Nonnen bewohnt wurde. Auf dem Weg dorthin hatten wir einen herrlichen Blick auf die Ebene von Sofia!
Wirklich begeistert war Ursula von der von außen so unscheinbar wirkenden Kirche von St. Nikolaus in Boyana, die 1979 eines der ersten UNESCO-Welterbestätten wurde. Unglaublich Detailreiche Fresken in der Tempera-Technik aus dem 10., 13. und 19. Jahrhundert, teilweise in verschiedenen Schichten, die einfach unglaublich gut erhalten waren und einen mit Blicken verfolgten…. und das lange bevor Mona Lisa porträtiert wurde!
Nach einer aussichtsreichen Busfahrt in die Berge des Rila-Gebirges kamen wir auch beim gleichnamigen Kloster an und waren erst mal überwältigt von diesem magischen Ort inmitten eines tiefen grünen Tals. Die 24m hohen Mauern des Rila-Klosters, das im 10. Jahrhundert von der Eremitengruppe rund um Ivan von Rila gegründet und erbaut wurde, wirkten wie ein Fort in dieser grünen Oase! Im Hochbetrieb lebten hier bis zu 300 Mönche und 400 Pilger, heute sind davon nur noch 6 Mönche und 50 Verwaltungsangestelte übrig geblieben. Das Kloster war seit dem 18. Jahrhundert bis zur Befreiung Bulgariens von den Osmanen 1878 Zentrum der bulgarischen Aufklärung. Nach einem Großbrand 1832, bei dem das Kloster in weiten teilen zerstört wurde, erfolgte ein Wiederaufbau ab 1834, bei dem auf die atemberaubenden Fresken entstanden, die rund um die Klosterkirche Wände und Decken des Narthex zieren…. immer wieder zog es uns hierher und wir schauten uns eine gefühlte Ewigkeit diese Kunstwerke an, bevor der Bus uns wieder zurück nach Sofia brachte und nur noch eine Abenteuerdusche am Abend auf uns wartete.
Und so schnell vergingen unsere Tage in Sofia…
Fazit:
Die Jewish History Tour und ein Ausflug nach Rila und Boyana können wir jedem nur ans Herz legen.
Die Stadt ist nicht groß, hat aber viel Geschichte zu bieten, die sich Interessierte nicht entgehen lassen sollten!
überall sind Kastanienbäume in der Stadt, es ist wunderbar grün.
Die Flughafentoiletten kann man durchaus empfehlen.
Auch im Duty Free ist bulgarische Wurst zu erstehen.